Die Burgergemeinde Roggwil hat 2024 ihre historische Remise im Dorfkern einer Umnutzung unterzogen. Aus kaum mehr genutztem Abstellraum wurde wunderschöner Wohnraum mit einem ganz speziellen Charme. Da der Initiant dieses Umbaus im Feierabend liebend gerne PV-Anlagen plant und baut, erhielt auch dieses Gebäude eine kleine Anlage, die jedoch perfekt zur Nutzung passt. Die Montage haben Freiwillige des Burgerrats in der Freizeit bewerkstelligt.
Technik
Mit jeweils einer Reihe PV-Modulen pro Dachseite etwas unterhalb dem First entstand eine Ost- / West-Anlage mit 10.4 kWp Leistung. Der eingesetzte Hybridwechselrichter bewirtschaftet gleichzeitig einen Speicher von 11 kWh zur Erhöhung des Eigenverbrauchs. Dies geschieht, indem tagsüber nicht benötigte Energie im nicht brennbaren LiFePo4-Akku (ohne Cobalt) gespeichert und nach Sonnenuntergang wieder abgerufen wird. Die verwendete Technik ist bewährt und wird weltweit millionenfach eingesetzt.
Dachneigung 30°, Ausrichtung 19° (Süden = 0°, Osten = -90°, Westen = 90°)
Ertragsschätzung 1’030 kWh/kWp, aktuell erreicht ca. 1’150 kWh/kWp
Die Idee
Den exakten Tathergang, der zur Idee der eigenen Photovoltaikanlage geführt hat, kann ich leider nicht mehr rekonstruieren. Wie so oft, hat sich eine Handvoll Zahlen im Hinterkopf angesammelt, die geordnet zu Papier gebracht und überprüft werden wollten. Vom Resultat war ich so überrascht, dass ich mich sogleich an die Recherche über die interessante Materie machte und eine simple Kosten / Nutzen – Rechnung ergab, dass sich das Risiko in Grenzen hielt.
Das Virus
Das „Virus PV“ übertrug ich relativ schnell auf Thomas, somit hatten wir bereits drei Anlageideen beisammen, die Anlage im Geschäft mit eingeschlossen.
Der Weg
Ich habe die drei zur Diskussion stehenden Anlagen bei drei Anbietern angefragt. Eine Reaktion blieb aus, auf Nachfrage beim einen wurde ich kurz vertröstet, ein Angebot kam trotzdem nicht. Also habe ich mich etwas tiefer in die Materie eingearbeitet. Das Wissen lieferte mir das Internet in Form von Richtlinien, Datenblättern, technischen Grundlagen und den gesammelten Erfahrungen von Anlagenbauern, welche sich in den Foren austauschen. Schlussendlich war ich soweit, keine Anlagen, sondern nur noch das benötigte Material beschaffen zu müssen. Mit einem kompetenten Händler in Deutschland wurden wir uns einig und gaben eine Sammelbestellung auf.
Das Ziel
Das Wetterglück war uns hold, der Dachdecker hatte im fraglichen Moment Zeit, der Anlage stand nichts mehr im Weg. Nach der Montage der Module stockte mir aber der Atem – der eine String war spannungslos. Nach zwei Stunden war der Fehler gefunden – eine nicht gesteckte Verbindung zwischen zwei Modulen, ein Anfängerfehler.
Die Krux mit der Wechselrichter Firmware
Der String um den Kamin bescherte mir anfangs Bauchschmerzen. Immer um ca. 14 Uhr, wenn der Kaminschatten langsam auf das erste Modul wanderte, ging die Leistung des ganzen Strings massiv zurück – bis zu 90%! In der Folge beschäftigte ich mich intensiv mit dem MPP (Maximum Power Point) Tracking des Wechselrichters. Der ist verantwortlich dafür, den String mit derjenigen Spannung zu betreiben, bei der das höchste Produkt aus Spannung und Strom, also die Leistung, resultiert. Bei teilverschatteten Strings können aber nebst dem globalen auch lokale Peaks entstehen. Von so einem liess sich die Software des Wechselrichters leiten und verfolgte dieses vermeintliche Maximum bis gegen Null Leistung. Über ca. 3 Monate umging ich dieses Problem, indem ich den Tracker auf Festspannung umschaltete und die Spannung wöchentlich auf Grund der aktuellen Tagestemperatur selber festlegte. Zwei Jahre nach der Ankündigung hat dann SMA (Weltmarktführer bei Wechselrichtern) endlich das Update geliefert, welches dieses Problem behebt.
Die Schattenseiten
Oktober bis März wird die Freude an dem seltenen Sonnenschein getrübt. Nachbars Bäume und Tannen verschatten dank tiefem Sonnenstand die Anlage so sehr, dass im schlimmsten Fall bis 13 Uhr kaum Sonne auf’s Dach scheint. Grob geschätzt gehen mir dadurch ungefähr 50 kWh/kWp, also rund 600 kWh im Jahr verloren. Das hört sich nach wenig an, entspricht aber ungefähr 1’000 Ladungen 40° Wäsche in einer neuen Waschmaschine.
Die Zwischenbilanz
Produktion in den ersten 365 Tagen: 13’400 kWh
Verbrauch im selben Zeitreim: 11’700 kWh
Anteil Eigenverbrauch: 21% (von der erzeugten Energie selbst verbraucht)
Anteil Eigenproduktion: 24% (von der verbrauchten Energie selbst produziert)
Diese Zahlen relativieren die oft gehörte Aussage „ich produziere meine Energie selbst“ in Verbindung mit Photovoltaik stark. Ohne ausgleichendes Netz mit Produzenten, welche kurzfristig variieren können, bringt PV alleine im grossen Stil kaum etwas.
Ausrichtung -32° (Süden = 0°, Osten = -90°, Westen = 90°)
Ertragsschätzung 951 kWh/kWp
Inbetriebnahme 23. September 2012
Die Entstehung
Das Dach muss erneuert werden, der ideale Moment, mit einer Photovoltaikanlage in die Zukunft zu investieren. Dies war der Gedanke von Adrian, als er mich eines Abends anrief, um mich nach unseren Erfahrungen mit den ersten drei Anlagen zu fragen. Am Küchentisch versuchte ich noch mit etwas Excel die Idee zu beerdigen und stattdessen das Scheunendach einzudecken. Mit der Idee der PV auf dem Scheunendach hatte ich Erfolg, die Wohnhausanlage wurde trotzdem realisiert. Landwirte sind sich halt gewohnt, Risiken einzugehen und auf die Ernte warten zu müssen. Im Nachhinein bin ich froh, dass Adrian Glur bei seiner Idee geblieben ist. Dank meiner Einwände hat die Anlage weniger als 30 kWp und umschifft damit elegant behördlich aufgestellte Klippen wie Lastgangmessung und Einspeisezwang (kein Eigenverbrauch mehr zulässig bei grösseren Anlagen). Die Vergütung bis zur KEV ist mit 15 Rappen auch deutlich interessanter als die 9 Rappen für grössere Anlagen.
Ausrichtung 75° (Süden = 0°, Osten = -90°, Westen = 90°)
Ertragsschätzung 905 kWh/kWp
Inbetriebnahme 12. September 2012
Der Nachmittagsstrom
Diese Anlage wird ihre Trümpfe meiner Ansicht nach insbesondere bei dem oberaargau-typischen Morgennebel ausspielen. Durch die Winkelverschiebung zur benachbarten Anlage um fast 90° wird beispielsweise Ende Oktober das Leistungsmaximum um 80 Minuten verzögert. Um eine etwas ausgeglichenere Tagesbilanz beim Solarstrom zu erhalten, wären also viele Ost- und Westanlagen den exakt nach Süden ausgerichteten vorzuziehen.
Das Handicap
Anlagen mit einer Peak-Leistung über 30 kW werden aktuell in der Schweiz sehr gestraft. Einerseits werden monatliche Kosten für die obligatorische Lastgangmessung fällig, andererseits wird meist ein massiv tieferer Tarif vergütet. Zusätzlich wird es dem Betreiber ab 1. Januar 2013 verunmöglicht, den Strom primär selber zu nutzen. Siehe dazu diesen Beitrag. Diese Einschränkungen sind solange von grosser Bedeutung, bis eine Aufnahme ins KEV-Förderprogramm erfolgt. Anschliessend fallen die Kosten nicht mehr so stark ins Gewicht und der Tarif ist für 25 Jahre ab Inbetriebnahme auf „kostendeckendem“ Niveau fixiert.
Die Leistungsbegrenzung
Eine momentan noch hypothetische Begrenzung der Anlage von 61 auf 30 kWp zeigt, wie absurde Auswirkungen Grenzen oft haben. Eine Leistungsbegrenzung auf unter 50% reduziert nach Modellrechnung in diesem Fall den Jahresertrag von 63’000 auf 55’000 kWh, also um rund 12%. Dafür fallen die monatlichen Gebühren für die Lastgangmessung von Fr. 85.00 weg und der Einspeisetarif steigt von 9 auf 15 Rappen. Es resultiert eine finanzielle Besserstellung des Betreibers um ca. Fr. 3’500.00 im Jahr, wenn man den Energieverbrauch von zwei durchschnittlichen Familien „vernichtet“, anstatt einspeist.
Obige Überlegungen sind natürlich unterdessen obsolet. Die Lastgangmessung ist heute deutlich günstiger, der Tarif ist besser und unabhängig von der Anlagengrösse.
Ausrichtung -13° (Süden = 0°, Osten = -90°, Westen = 90°)
Ertragsschätzung 960 kWh/kWp, aktuell erreicht ca. 1’050 kWh/kWp (mit 21 kWp Anlage)
Der Werdegang
Nachdem Planung, Montage und Inbetriebnahme der im September 2011 installierten 21 kWp-Anlage so problemlos vonstatten ging, äusserte ich die Idee, im Jahr 2012 die Anlage „etwas“ zu erweitern. Aus der Erweiterung wurde durch Eigendynamik der Planung schnell eine Maximalbelegung mit zusätzlichen 128 kWp. Durch die einfache Montage auf dem Trapezdach im Jahr 2011 liess ich mich etwas blenden, was den Zeitaufwand für die neue Anlage betraf. Nach einigen Feierabendeinsätzen erreichte meine Hochrechnung im worst case 500 Stunden. Also stellten wir kurzfristig von einem Temporärbüro zwei Mitarbeiter ein, welche die „Tagschicht“ übernahmen. Der gesamte mechanische Aufbau der Anlage sowie der DC-Verkabelung inkl. Montage der Wechselrichter und Generatoranschlusskästen summierte sich schliesslich auf exakt 400 Stunden und dauerte 31 Tage.
Der Nutzen
Natürlich haben wir im Herbst 2011 die Anlage samt Erweiterung fürs KEV angemeldet. Bis zu einer möglichen späteren Aufnahme ins Förderprogramm wollten wir die gewonnene Energie selber nutzen. Die rund 150 MWh/Jahr der PV-Anlage hätte einen ansehnlichen Beitrag an den Verbrauch von 240 MWh/Jahr gegeben. Ab 1.1.2013 ist aber die Anschlussvariante mit Eigenverbrauch und Überschuss-Einspeisung nicht mehr erlaubt. Produzenten mit Anlagen über 30 kWp werden gezwungen, 100% (zu einem sehr tiefen Tarif) ins Netz einzuspeisen und gleichzeitig zum ordentlichen (deutlich höheren) Tarif wieder zu beziehen. Das stellt die Wirtschaftlichkeit arg in Frage – ohne KEV ist ein grosser Verlust sicher.
Tarife und Kosten
Einspeisetarif ab 1.10.2012: Fr. 0.09 / kWh
KEV Einspeisetarif würde Fr. 0.34 / kWh betragen
Lastgangmessung (obligatorisch ab 30 kWp): Fr. 81.00 / Monat
Plangenehmigung ESTI (Starkstrominspektorat): Fr. 1959.00
Sicherheitsnachweis und KEV-Beglaubigung: Fr. 900.00
Fazit nach dem Bau
Ohne KEV ist auch eine extrem günstig gebaute Anlage niemals kostendeckend zu betreiben. Insbesondere dann, wenn es einem verunmöglicht wird, die selbst produzierte Energie selber zu nutzen. Ob der Preis der obligatorischen Lastgangmessung mit 7.2% des gesamten Verkaufserlöses zu Buche schlagen sollte, ist auch eher fraglich. Bei einer Anlage mit 31 kWp wären es sogar um die 35% (ohne KEV Vergütung gerechnet).
Obige Betrachtung ist überholt. Die Anlage speist unterdessen vollumfänglich ein und wird KEV vergütet. Der Bau der Anlage war finanziell tendenziell risikoreich, dafür interessant. Auch hier hat sich bewiesen, dass sich Mut manchmal auszahlt.